Pressemeldungen aus 2012

Westfalen-Blatt vom 23.11.2012

"Ohrenmensch" steht für Frieden / Horst Michael Perlicks Skulptur soll auf dem Goetheplatz aufgestellt werden

Bünde (BZ). Der Kopf ist ein großes, quer liegendes Ohr, in der Körpermitte klafft ein kreisrundes Loch, die Füße sind zweizehige Tatzen, krallenbewehrt. Der "Ohrenmensch", so hat der Künstler Horst Michael Perlick seine Skulptur genannt, bedarf der Interpretation.

Etwa 50 Zentimeter hoch und geschätzt 15 Kilo schwer ist das Modell aus Kupfer. Wenn die Skulptur einmal auf dem Goetheplatz postiert wird, dann in Mannshöhe und etwa eine Tonne schwer. Ihren Platz soll sie dort finden, wo einst das Kaufhaus der Familie Spanier stand, der jüdischen Familie, die zu den Opfern des Nationalsozialismus zählt.

Und schon damit nähert sich der Betrachter dem Symbolcharakter des "Ohrenmenschen", der "für Frieden und Verständigung und gegen Antisemitismus" steht, wie Perlick erläutert. Er betrachtet seine Arbeit so: "Durch das Ohr geschieht Veränderung von oben nach unten. Der Mensch hat an Stelle des Kopfes ein beidseitig hörendes Ohr. Die Körperhaltung ist brüsk ablehnend, feindlich, bedrohlich, provozierend und unversöhnlich. Und verspricht dennoch eine Metamorphose, die in einem neuen Menschen enden wird. Der Beginn dieses Prozesses wird durch das Loch in der Brust symbolisiert. Das steinerne Herz wird entfernt und durch eines aus Fleisch ersetzt, also durch ein fühlendes Herz." So entstehe ein neuer Mensch, der die Wahrheit sehen und hören und über sie reden kann. Die Wahrheit über Schreckensherrschaften und Kriegsgräuel.

In die Planungen zur Umgestaltung des Goetheplatzes soll der "Ohrenmensch" berücksichtigt werden. Diese Vorentscheidung ist in den Ratsgremien gefallen. Auch ist angedacht, den Grundriss des Kaufhauses Spanier mit Pflastersteinen auf der Fahrbahn darzustellen. Während letzteres mit vergleichsweise geringem Kostenaufwand zu realisieren wäre, würde nach einem ersten Kostenvoranschlag allein das Gießen der Figur 30.000 Euro kosten. Elaine Spanier, die in den USA lebt, hat zugesichert, 15.000 Euro zur Verfügung zu stellen.

Der Rest müsse über Spenden finanziert werden, sagte Bürgermeister Wolfgang Koch gestern. Und ist sicher, dass dies auch gelingen wird: "Alles andere wäre ein absolutes Armutszeugnis für die Stadt." Dr. Angela Brüning, die die Netzwerk-Gruppe am Gymnasium am Markt leitet, teilt Kochs Zuversicht. Und sieht ebenso wie der Bürgermeister das Aufstellen der Skulptur als Anlass für den Start einer neuen Form der Erinnerungskultur. Zeitzeugen, die aus eigener Anschauung über den Nazi-Terror berichten könnten, werde es in einigen Jahren nicht mehr geben. Um so wichtiger sei es, insbesondere an Schulen die Anstrengungen zur Aufarbeitung von Geschichte zu verstärken. Denkbar sei die Gründung eines Fördervereins als Basis für die Netzwerk-Gruppe. Aber auch eine Stiftung, die sich für Völkerverständigung und den Kampf gegen rassistische Tendenzen einsetze, sei eine Möglichkeit.

Zur Person

Horst Michael Perlick wurde 1943 in Berlin geboren, seit seiner Eheschließung vor 35 Jahren lebt und arbeitet er in Bünde. Perlick hat Architektur und Malerei in Berlin studiert, 1979 wandte er sich der Bildhauerei zu.

Ausstellungen seiner Werke hat es bislang unter anderem in Berlin, Stuttgart, Braunschweig, Bielefeld, Münster, Herford und Osnabrück sowie in Straßburg und Brüssel, aber auch in Jerusalem und Tel Aviv gegeben. Seine expressionistischen Arbeiten sind vom Bemühen um Völkerverständigung geprägt. Perlick engagiert sich seit langem für die Aufstellung von Mahnmalen zur Erinnerung an die Nazi-Gräuel. Das blieb auch in Israel nicht unbemerkt. Im Gespräch mit der Gedenkstätte Yad Vashem ist die Aufstellung der 50 Zentimeter hohen Originalskulptur "Ohrenmensch" in der dortigen Ausstellung.

Bildunterschrift: Etwa 50 Zentimeter hoch ist das Original des "Ohrenmenschen", den der 69-jährige Horst Michael Perlick geschaffen hat. Ein mannshohe Version aus dem selben Material würde etwa eine Tonne wiegen. Sie soll auf noch umzugestaltenden Goetheplatz aufgestellt werden.
Von Rainer Grotjohann


Neue Westfälisch vom 14.09.2012

Bünde (ar). Eine Bronzestatue könnte künftig den umgestalteten Goetheplatz zieren. Der in Bünde lebende Künstler Horst Perlick möchte seinen "Ohrenmenschen" als Gedenk- und Mahnstätte dort aufstellen. Am Goetheplatz befand sich einst der Besitz der jüdischen Familie Spanier. Bis Juli 1942 wurden 54 Bünder in die Konzentrationslager deportiert.
Nur drei von ihnen kehrten zurück. Erna und Willy Spanier wie auch Johanne Meyer wurden aus der Lagerhaft in Theresienstadt befreit und haben den Weg zurück in ihre Heimatstadt Bünde gefunden. Ihr Grundstück an der Eschstraße 55, das im April 1942 vom deutschen Reich eingezogen worden war, bekamen sie zurück, doch es fehlten zunächst die Möglichkeiten für einen Wiederaufbau des Geschäftsgebäudes am Goetheplatz.
Bereits in jungen Jahren besuchte Horst Perlick verschiedene Synagogen in seiner Berliner Heimat, im Jahr 1973 verschlug es ihn sogar selbst nach Israel, wo er seine spätere Ehefrau kennen lernte. Seither lässt ihn der Staat nicht mehr los. Sein Werk "Der Ohrenmensch" soll den Ursprung aller Veränderung darstellen. Auch und gerade, was die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland angeht.

Aus Denver hat Elaine Spanier, Ehefrau des verstorbenen Werner Spanier, geschrieben. Sie begrüßt die Idee eines Mahnmals und kündigt eine finanzielle Hilfe an, sollte sich eine Mehrheit in der Stadt finden, die das Vorhaben ebenfalls unterstützt. Die Stadt selbst wird sich wohl nicht mit einer größeren Summe am Aufbau beteiligen. Der zuständige Ausschuss machte dies deutlich. Er begrüßte aber, dass sich der Künstler selbst um Sponsoren kümmern wolle.

Der Goetheplatz soll neu gestaltet werden. In der nächsten Woche wird sich der Planungsauschuss mit dem Thema beschäftigen. Die Skulptur könnte dann in die Umgestalltungspläne einbezogen werden.



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