Juni 2013

Westfalenblatt vom 22./23.06.2013

Horst Perlick möchte eine Lanze für seinen Ohrenmenschen brechen. Immerhin sei die Skulptur sehr wandlungsfähig und erwachse vor den Augen des Betrachters trotz oder gerade wegen seiner ablehnend wirkenden Haltung zu einer Persönlichkeit. Foto: Gitta Wittschier

Auf dem Weg der Verwandlung
Künstler Horst Perlick stärkt seinem Ohrenmensch den Rücken

B ü n d e (BZ). Der Ohrenmensch – eine Skulptur, die für Wirbel und Kritik in mannigfacher Form gesorgt hat (die BÜNDER ZEITUNG berichtete und erhielt viele Zuschriften). Doch Horst Perlick, der dem Ohrenmenschen Gestalt verlieh, will eine Lanze brechen für dessen Daseinsberechtigung, »oder besser gesagt: ich möchte nochmals seine Wandlungsfähigkeit verdeutlichen», betont er. »Dieser Weg wird kein leichter sein« – diese Textzeile könnte als Vorlage dienen für das, was dem Ohrenmenschen und seinem Erschaffer bis jetzt widerfahren ist. Schimpf und Tadel, aber auch Anerkennung säumen den bisher eingeschlagenen Pfad. Doch der Maler und Bildhauer Horst Perlick will sich einem zu harten Urteil einfach nicht beugen. »Es gibt so viele Ansätze, wie der Ohrenmensch zu betrachten ist und wie er sich verwandelt«, darauf hinzuweisen, wird der Künstler Perlick nicht müde. Es sei so, dass »er vorübergehend anstelle mit dem Kopf mit einem Ohr ausgestattet ist. Durch das Hören geschieht Veränderung von oben nach unten«. Die Körperhaltung ist erscheint dem Betrachter zunächst brüsk ablehnend, dann jedoch geschieht die Verwandlung des Ohrenmenschen zur Persönlichkeit. Die Figur erscheine so, als habe sie kein Herz. »Doch das steinerne ist ihr bereits entnommen, damit wird Platz geschaffen für ein fleischernes, mitfühlendes Herz. Die animalischen Füße verwandeln sich in menschliche, die sich auf den Weg begeben, Frieden zu stiften und Völker zu verbinden«. Eine Betrachtungsweise, die zwar eingängig und verständlich ist, jedoch die Frage aufkeimen lässt, warum Horst Perlick nicht noch eine zweite Skulptur nach solch einer Verwandlung erschaffen hat. »Das ergibt meiner Meinung nach deshalb keinen Sinn, weil so etwas ein innerer Prozess ist, der unsichtbar geschieht«. Der Mensch strebt nach Einigung und Erlösung – wie der berühmte rote Faden läuft diese Erkenntnis durch alle Religionen. So ziemlich jeder trägt die Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit in sich, doch äußerlich ist das nicht unbedingt zu bemerken. Gleichgültigkeit und Disharmonie brechen sich eher Bahn. Doch der Ohrenmensch soll eben durch die beschriebene innerliche Umwandlung dazu beitragen, dass vieles mit anderen Augen gesehen wird. Und er könnte Symbol dafür sein, dem Rassismus energisch entgegenzutreten – auch dadurch, dass er nach der Neugestaltung des Goetheplatzes dort aufgestellt wird. Dafür plädiert das Netzwerk des Gymnasiums am Markt, das sich seit vielen Jahren mit früheren jüdischen Bürgern in Bünde beschäftigt und dafür arbeitet, dass die Auswirkungen der NS-Zeit nicht vergessen werden. Auch hat Bürgermeister Wolfgang Koch die Schirmherrschaft über das »Ohrenmenschenprojekt « übernommen. Eigentlich habe er die zwei Meter hohe Bronzefigur zunächst für sich selbst kreiert und drei Jahre an ihrer Entstehung gearbeitet, erzählt Perlick. Und er will immer wieder darauf hinweisen, wie sehr es ihm am Herzen liegt, anderen die Bedeutung des Ohremenschen nahezubringen – auch wenn es hierzu noch die eine oder andere Frage gibt.
Von Gitta Wittschier